Befahrung des Lehrbergwerks Roter Bär

09. Juli 2024 – Exkursionsbericht von R. Bartoschewitz

Die von etwa 1800 bis Mitte der 1860er Jahre von Eigenlehnern betriebene Eisenerzgrube Roter Bär bildet den Kern des gleichnamigen Lehrbergwerkes und wird von der Arbeitsgruppe Bergbau unter dem Dach des St. Andreasberger Vereins für Geschichte und Altertumskunde e.V. betrieben. Die 1988 gegründete Arbeitsgruppe hat ihre Aktivitäten mittlerweile auf den gegenüberliegenden Beerberg ausgedehnt, wo sich die frühsten Stätten des um 1520 aufgenommenen Silbererzbergbaus befinden. Heute können hier insgesamt fünf wieder aufgewältigte alte Gruben befahren werden, die von den ehrenamtlichen Forschern der AG betreut werden. Im Beerberg, der über- wie auch untertage ein imposantes Montandenkmal darstellt, verbirgt sich ein Stollen- und Streckensystem mit einer Gesamtlänge von rund 34 Kilometern. Ziel ist es, die alten Bergwerke im Bereich des Wennsglückter- des Reiche Troster- und Jacobsglücker Ganges wieder befahrbar zu machen und die Aufschlüsse montanarchäologisch und geowissenschaftlich zu untersuchen und für zukünftige Generationen zu erhalten.

Nach einer fachlichen Einführung im Zechenhaus (Abb. 1) durch Dr. Wilfried Ließmann und Erläuterungen der Situation an einem Übersichtsriss des Revieres, befuhren wir zuerst den Tagesstollen der Grube Roter Bär mit 7 Erwachsenen und 3 Kindern (Abb. 2). Gefördert wurde hier im wesentlichen Brauneisenstein. Hierbei handelt es sich um eine hydrothermal-metasomatische Mineralisation, die an eine Serie von Kalksteinlinsen innerhalb von mitteldevonischen Tonschiefern gebunden ist. Ursprünglich handelte es sich um Siderit (FeCO3), der durch Verwitterungseinflüsse vollständig in Brauneisen (Goethit α-FeOOH und Lepidokrokit γ-FeOOH) umgewandelt vorliegt. Das dichte, tonartige Mn-haltige Erz wurde in Lauterberg zur Herstellung des für den Bergbau erforderlichen Stahls verhüttet. Im Bereich der kontaktmetamorph überprägten Kalke (Kalk-Silikat-Hornfelse und Skarne) konnten wir Nontronit, [Na0,3Fe2(OH)2(Si,Al)4O10•4H2O], Serizit [KAl2[(OH,F)2|AlSi3O10)], kleine Granat- (Andradit-Grossular (Ca,Al)3Fe2(SiO4)3) und Wollastonit- [CaSiO3] sowie Pyrit-Kristalle [FeS2] finden (Abb.3-5).

Abb. 1: Dr. W. Ließmann erläutert uns die Geologie und die montanarchäologische Arbeit der AG Bergbau.

Abb. 2: Teilnehmer der Geowissenschaftlichen AG vor dem Stollenmundloch der Grube Roter Bär

Abb. 3: Aktiver Abbau durch die Geowissenschaftliche AG Gifhorn in der Grube Roter Bär

Abb. 4 (oben): Andradit/Grossular Misch-Kristalle (Fe ist z.T. durch Al ersetzt). Kristallgrößen von oben nach unten: 1,2 mm, 1,5 mm, 2,8 mm

Abb. 5: Nontronit, 3 cm

Im Anschluss konnten die Kinder auf der hauseigenen „Klopfhalde“ Mineralien aus aller Welt sammeln, während die Erwachsenen eine ausgedehnte Befahrung der Gruben auf dem östlichen Abschnitt des Jakobsglücker Gangzuges im Beerberg unternahmen.

Abb.6: Im Beerberger Tagesstollen

Die Anfahrt erfolgte über den 2004 geöffneten Beerberger Versuchs-Querschlag, der als schnurgerades Suchort während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Beerberg getrieben wurde (Abb. 6). Beim Auffahren des rund 500 m langen Stollen mussten die Bergleute sich anfangs durch Tonschiefer, später auch durch harten Hornfels und sehr zähen Diabas, vorarbeiten.

Im Bereich des Claus-Friedrich Schachtes war ein schmales Kalkspattrum mit Nestern von Bleiganz und Antimonfahlerz (Tetraedrit) [Cu6Sb4S13] zu sehen (Abb. 7). Zwischen 1661 und 1814 wurde aus den auf dem Jakobsglücker Gang abgebauten Erzen fast 9 t Silber, 103 t Kupfer und 127 t Blei gewonnen, wobei vielleicht 10 kg Erz pro Mann und Schicht gewonnen wurden, was aber den Abbau von >50 kg Gestein bedeutete. Der Gesamtvortrieb mit Schlägel und Eisen betrug max. 10 cm/Tag.

Abb. 7: Etwa 1 cm breite hydrothermale Spaltenfüllung aus „edlem Kalkspat“ (Erz-führend) mit Nestern von Bleiganz und Antimonfahlerz (Tetraedrit) im schiefrigen Muttergestein

Von hier erfolgte der Aufstieg durch den verwinkelten Altbergbau in 20 m höher liegende Bereichen. Weiter ging es auf dem engen und feuchten St. Jacobsglücker Tagesstollen. Dieser wurde im 16. Jahrhundert teils durch Schlägel-und-Eisen-Arbeit („Schrämen“) und teils durch Feuersetzen hergestellt, wie die unterschiedlichen Profile erkennen lassen. Wo Diabas das Nebengestein bildet zeigen sich mitunter ockergelbe krustenartige Jarosit-Bildungen [KFe3(OH)6(SO4)2] (Abb. 8), dabei handelt es sich um supergene Neubildungen aus Pyrrhotin, der fein disseminiert im Diabas vorkommt. Durch enge, fast senkrechte Abbaue erfolgte der weitere Aufstieg über eiserne Fahrten mit schmalen Übertritten (Abb. 9-11) 50 weitere Höhenmeter hinauf bis auf den St. Jürgener (auch St. Georger) Tagesstollen. Die ursprünglich St. Georg (1563-1593) und später St. Jürgen (1640-1714) genannte Grube war im 16. Jahrhundert die reichste Zeche des Reviers und bekannt als Fundpunkt des sogenannten „Buttermilcherzes“, eine breiähnliche, wässrige Suspension aus Chlorargyrit [AgCl] und Schichtsilikaten.

Abb. 8: Sekundäre Jarosit-Bildung an der Stollenwand.

Abb. 9: Steile Aufstiege und tiefe Abgründe am großen Abbau: Besichtigung der „Holzbottichböschung“.

Abb. 10: Steile Aufstiege und tiefe Abgründe am großen Abbau: Aufstieg auf Fahrten (Leitern) über 20 m zum St. Jacobsglücker Tagesstollen.

Abb. 11: Steile Aufstiege und tiefe Abgründe am großen Abbau: Aufstieg über weitere 50 Höhenmeter auf Fahrten zum St Jürgener Tagesstollen.

Abb. 12: Seigerriss des Jacobsglücker Ganges im Bereich des Beerbergs. Die rote Linie zeigt den Teilverlauf unserer Grubenbefahrung.

Von hier war es dann nur noch ein Spaziergang zum Mundloch des St. Jürgenstollens. Insgesamt haben wir ca. 70 Höhenmeter über Leitern in diesem Stollen-System überwunden (Abb. 12).

Heutzutage ist es fast unvorstellbar, wie die Bergleute in der frühen Neuzeit diese Gruben allein mittels Schlägel und Eisen sowie Feuersetzen geschaffen haben. Die Hochachtung wird noch größer, wenn wir uns vorstellen, wie durch diese engen Stollen und Schächte Tonnen von Holz zum Feuersetzen nach Untertage und die die tauben „Berge“ und das gewonnene Erz nach Übertage transportiert wurde!

Diese anspruchsvolle Exkursion, die einer Zeitreise zurück ins 16. Jahrhundert gleichkam, wird sicherlich allen Teilnehmern in Erinnerung bleiben und wir danken Dr. Wilfried Ließmann für seine fachkundigen Informationen und die spannende Untertage-Führung sowie unserem AG-Mitarbeiter Burkhardt Noltemeyer (ebenfalls Mitglied der AG Bergbau) für seine fürsorgliche Unterstützung!

Ich danke Dr. Wilfried Ließmann für wertvolle Hinweise zum Bericht!